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Bei Wiederheirat Kündigung

Bei Wiederheirat Kündigung

Ein katholischer Chefarzt und Leiter der Abteilung „Innere Medizin“ in einem katholischen Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen wurde gekündigt, weil er erneut heiratete. Nachdem der Arzt sich im Jahr 2005 von seiner Frau getrennt hatte, heiratete er im August 2008 seine neue Lebensgefährtin standesamtlich. Die erste Ehe war jedoch nicht für nichtig erklärt worden. Grund genug für seinen Arbeitgeber (ein katholischer Träger) dem Chefarzt zu kündigen, nachdem er durch ein Schreiben im Jahr 2009 von der Wiederheirat erfuhr.

Die Kündigungsschutzklage des Chefarztes beschäftigte sodann alle gerichtlichen Instanzen. Der Chefarzt war der Auffassung, dass die Kündigung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße, da die Wiederheirat bei Kollegen anderer Konfession oder gar konfessionslosen Chefärzten keine Konsequenzen hatte. 

Der Arbeitgeber verwies auf den Verstoß von Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis. Der Chefarzt habe eine nach kanonischem Recht ungültige Ehe geschlossen und damit die soziale Rechtfertigung für die Kündigung geliefert.

Schließlich landete der Streit in Karlsruhe. Die Verfassungsrichter gaben die Sache zurück an das Bundesarbeitsgericht, welches wiederum den Europäischen Gerichtshof mit verschiedenen Vorfragen anrief.

Der Fall vor dem EuGH

Zunächst stellte der EuGH klar, dass sich auch Organisationen wie der private Träger des Krankenhauses auf entsprechende Grundsätze und Anforderungen aufstellen und sich auf einen bestimmten religiösen Ethos berufen kann.

Der EuGH machte in seiner Entscheidung klar, dass Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass Kirchen oder andere Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen beruhen, an leitende Beschäftigte nicht je nach Konfession unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich des loyalen und aufrichtigen Verhaltens im Sinne des entsprechenden Ethos stellen können. Die Anforderungen müssen zudem stets einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle zugänglich sein.

Sind hingegen Ungleichbehandlungen je nach Konfession wegen der Art der ausgeübten Tätigkeit oder der besonderen Umstände erforderlich, so muss  diese Ungleichbehandlung begründet, rechtmäßig, gerechtfertigt und verhältnismäßig sein, was durch nationale Gerichte zu überprüfen ist.

Bei der Prüfung der Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit der Ungleichbehandlung knüpft der EuGH an die „Art“ der Tätigkeit an. Auf nationaler Ebene kennt man dies so ähnlich als Maßgabe der Verkündungsnähe. Im Klartext bedeutet das, dass an Berufe, bei denen es  direkt um die Vermittlung des Glaubens und der Glaubensgrundsätze geht, höhere Anforderungen gestellt werden dürfen. Je weiter die Tätigkeit von der „Verkündung“ des Glaubens entfernt ist, desto geringer sind hier die Maßstäbe anzusetzen.

Für den Fall des Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus lehnt der EuGH die berechtigte Ungleichbehandlung übrigens ab.  Das katholische Verständnis der Unauflösbarkeit der Ehe sei nicht entscheidend für die berufliche Tätigkeit des Chefarztes, die in der Beratung und medizinischen Pflege sowie in der Leitung der Abteilung „Innere Medizin“ bestehe. Für die Bekundung des religiösen Ethos sei die Akzeptanz des katholischen Eheverständnisses nach Auffassung des EuGH nicht notwendig.

Zusammenfassung

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist dabei wenig überraschend und reiht sich nahtlos in die Rechtsprechung des EuGH zum Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ein. Die entscheidenden Eckpunkte, die sich dabei herauskristallisieren sind:

  • das kirchliche Selbstbestimmungsrecht besteht (auch für entsprechende religiöse Organisationen)
  • es müssen wesentlicherechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung vorliegen
  • die Anforderungen müssen der gerichtlichen Kontrolle zugänglich sein

Für Beschäftigte bei Kirchen und kirchlichen Trägern bedeutet das Urteil konkret, dass sie die Anforderungen an die dem Ethos entsprechenden Verhaltens- und Lebensweise in Relation zu ihrer Position und Art der Beschäftigung sehen müssen. Insgesamt kann von einer Stärkung der Arbeitnehmerrechte ausgegangen werden.

Basierend auf EuGH, Urt. v. 11.9.18 ‑ C-68/17.

Hinweis auf EuGH, Urt. v. 17.4.18 ‑ C-414/16.