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Die Juristerei

Plötzlich im Abseits – wenn das Homeoffice zum Sterbezimmer wird

Plötzlich im Abseits – wenn das Homeoffice zum Sterbezimmer wird

Mit der Corona-Pandemie hat sich auch die Arbeitswelt verändert. Gerade in Berufen, in denen eine mobile Arbeit möglich ist, hat mit der temporär begründeten Homeoffice-Pflicht eine neue Zeit begonnen. Und damit verbunden eine ganze Reihe praktischer und rechtlicher Probleme. So birgt die Arbeit am heimischen Arbeitsplatz auch die Gefahr von Diskriminierung. 

Während Anfang 2021 laut Statista 24 % der Beschäftigten von Zuhause aus arbeiteten, wäre diese Form der Arbeit grundsätzlich für 80 % der Belegschaft möglich. Doch insbesondere eine Zahl lässt mit Blick auf Diskriminierung hellhörig werden: bei 54 % der Unternehmen ist die Kommunikation im Homeoffice erschwert. Dabei ist eine gute und funktionierende Kommunikation der Dreh- und Angelpunkt einer gelingenden mobilen Arbeit. So sind der Austausch mit Kolleg:innen und das Feedback von Führungskräften elementar wichtig, um Unternehmensziele voranzubringen und gemeinsame Arbeiten und Projekte realisieren zu können. Auch die Kund:innenkommunikation ist zentraler Bestandteil und kann unter dem Eindruck schlecht umgesetzter Homeoffice-Gegebenheiten leiden.

Homeoffice ein Karrierekiller?

Für Führungskräfte ist mit Homeoffice oft die Angst des Kontrollverlustes verbunden, bei Kund:innen kann schlechte Erreichbarkeit zu Unmut führen und unter Kolleg:innen besteht die Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Kein Wunder also, dass seit einiger Zeit die Arbeit im Homeoffice als Karrierekiller gehandelt wird. So kann die Arbeit von Zuhause sicherlich dazu führen, dass Mitarbeiter:innen nicht mehr wahrgenommen und gefördert werden, obwohl sie sehr gute Arbeit leisten. 

Fest steht: Die Arbeit im Homeoffice steht und fällt mit den jeweiligen Gegebenheiten und Rahmenvoraussetzungen. So leuchtet auch ein, dass die Arbeit am Küchentisch sicherlich keine dauerhafte Beschäftigungslösung sein kann. Eine gute Ausstattung an Kommunikations- und Arbeitsmitteln sind also Grundvoraussetzung für die Remote-Arbeit. 

Doch was, wenn das Homeoffice missbraucht wird?

Betrachtet man die Bedingungen und Voraussetzungen, unter denen die Arbeit von Zuhause aus gelingen kann, so wird schnell klar, dass ohne gesetzliche Leitplanken Arbeitgeber:innen den heimischen Arbeitsplatz auch bewusst ausnutzen können, um sich unliebsamer Mitarbeiter:innen zu entledigen. 

Während bisher sogenannte „Sterbezimmer“ mühsam geschaffen wurden, haben Arbeitgeber:innen mit dem Homeoffice nunmehr ein Instrument an der Hand, mit dem sie ohne großen Aufwand auf Mitarbeiter:innen einwirken können. 

Das eigene Homeoffice kann daher zum idealen Nährboden für sogenanntes Straining werden. Beim Straining, einer subtilen Art des Mobbings, wird das Opfer einer bewusst herbeigeführten Belastungssituation ausgesetzt, unter deren Druck es schließlich zusammenbricht. Anders als beim Mobbing wird durch eine einmalige Handlung eine Kulisse geschaffen, die nachhaltig auf die Psyche der betroffenen Personen einwirkt. Vom Englischen „to strain“ für überanstrengen, strapazieren hergeleitet, bildet Straining eine ganz eigene Spielart des Mobbings.

Zurückhalten von Informationen, Übergehen bei Terminen oder kleine Nadelstiche gehören zu den beliebtesten und oft auch wirkungsvollsten Mobbinghandlungen. Doch während sich Mobber:innen im betrieblichen Umfeld mühevoll die Rahmenbedingungen schaffen müssen, um beispielsweise unliebsame Kolleg:innen auszugrenzen, liefert das Homeoffice – insbesondere in Unternehmen mit schlecht aufgestellter Kommunikation – ein geradezu einladendes Umfeld.

“Sterben in häuslicher Schönheit”

Anders als in Sterbezimmern im betrieblichen Umfeld könnte man annehmen, das Langeweile und Isolation im heimischen Arbeitsumfeld nicht aufkommen sollte. Doch durch Kontrollmöglichkeiten oder den eigenen Anspruch beruflich voranzukommen, dürften betroffene Mitarbeitende in eine nicht zu unterschätzende Drucksituation kommen. Und so kommt es zum „Sterben in häuslicher Schönheit“. Gerade die gefühlte Isolation in den eigenen vier Wänden kann besonders zermürbend sein. Nie zuvor dürfte Ausgrenzung derart einfach gewesen sein. Und sind die rechtlichen Möglichkeiten gegen Mobbing und Training vorzugehen bisher schon mehr als begrenzt gewesen, so dürfte dies im Homeoffice umso schwieriger sein. 

Um der Straining-Gefahr im Homeoffice zu entgehen, helfen neben gesetzlichen Maßnahmen auch innerbetriebliche Vorgaben. So kann beispielsweise durch kluge Betriebsvereinbarungen Straining-Situationen vorgebeugt werden. Auch definierte Standards zur (internen) Unternehmenskommunikation verbessern nicht nur Arbeitsabläufe, sondern können Ausgrenzung und Diskriminierung entgegenwirken. Unternehmen und Arbeitnehmer:innen sind also beide gut beraten, wenn Sie sich frühzeitig und gründlich Gedanken zur Arbeit im Homeoffice machen.   

Hinweis auf:
Hartmann, Mobbing: Ein unbekanntes Phänomen – Tatort Arbeitsplatz in: AuA 2016, 146 ff.
Jansen und Hartmann, Straining und Mobbing im Lichte des Persönlichkeitsschutzes, NJW 2012, 1540 ff.
Statista – Homeoffice und mobiles Arbeiten – ein Überblick