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Benachteiligung vermutet

Benachteiligung vermutet

Eine Berg- und Talfahrt durch sämtliche Instanzen fand nunmehr für eine klagende Abteilungsleiterin ein Ende, das als wegweisend für weitere Entgeltklagen angesehen werden kann. Dabei rückte das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts (LAG) gerade, die den Anwendungsbereich und den Regelungsgehalt des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) vollständig auszuhebeln drohte.

1. Station: Auskunftsverlangen

Die als Abteilungsleiterin beschäftigte Beklagte verlangte vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG Auskunft über das Vergleichsentgelt der männlichen Kollegen. Gemäß EntgTranspG kann eine Auskunft über das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt verlangt werden. Durch das Auskunftsverlangen erlangte die Klägerin Kenntnis über eine Entgeltdifferenz, sowohl hinsichtlich des Grundentgelts als auch hinsichtlich der Zulagen, weshalb sich die Klägerin zur Geltendmachung des Differenzbetrags zum Median-Entgelt der männlichen Kollegen entschied.

2. Station: Arbeitsgericht

Vor dem Arbeitsgericht drang die Klägerin mit ihrer Klage durch. Das Arbeitsgericht nahm eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts an und sprach der Klägerin die Entschädigung des entstandenen Schaden nach § 15 Abs. 1 AGG zu. Doch damit sollte erst der Anfang eines beeindruckenden Instanzenzuges gemacht sein; Denn die Berufung förderte eine ungewöhnliche Entscheidung zu Tage.

3. Station: Landesarbeitsgericht

Denn vor dem Landesarbeitsgericht musste die Abteilungsleiterin eine herbe Niederlage einstecken, die wegweisend hinsichtlich der Relevanz und Tragweite des EntgTranspG schien.

So sah das Landesarbeitsgericht in den durch die Auskunft erlangten Erkenntnissen – der offensichtlichen Abweichung des Entgelts im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen – keine Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts begründet. Dies erscheint umso verwunderlicher, bedenkt man, dass § 22 AGG gerade eine Beweislastumkehr vorsieht. Hiernach müsste der Arbeitgeber beweisen, dass es sich um keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts handelte. Nach § 22 AGG genügen im Streitfall Indizien, die eine Geschlechterdiskriminierung vermuten lassen.

Mit seinem Urteil hat das Landesarbeitsgericht nicht nur die in § 22 AGG normierte Beweislastumkehr ausgehebelt, sondern den gesamten Regelungsgehalt und die Sinnhaftigkeit des EntgTranspG ad absurdum geführt. So würde sich der Anwendungsbereich des EntgTranspG ausschließlich auf eine Auskunft beschränken, die nicht weiter verwertbar wäre. Das Wissen um eine schlechtere Bezahlung, die sich mit dem Vergleich nach dem Geschlecht ergibt, sollte also nach Auffassung des Gerichts nicht als Indiz ausreichen.

Endstation: Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die Klage mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht hätte abgewiesen werden dürfen. Durch die Auskunft sei der Abteilungsleiterin ganz klar ein Median-Entgelt in Bezug auf männliche Vergleichspersonen mitgeteilt worden. Auch war eine gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit gegeben. Da das Entgelt der Klägerin geringer war als das ihrer männlichen Kollegen, lag nach Ansicht des BAG eine unmittelbare Benachteiligung i. S. d. § 3 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG vor. Und das BAG stellte folgerichtig fest, dass in dieser unmittelbaren Benachteiligung nach dem EntgTranspG zugleich eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts zu sehen sei.

Folglich geht das BAG davon aus, dass die Benachteiligung auch im Rahmen des AGG geltend gemacht werden kann und die Beweislastumkehr von § 22 AGG greift. Es obliegt somit dem Arbeitgeber, nachzuweisen, dass die Entgeltbenachteiligung nicht im Geschlecht begründet ist. Insofern ist die Auskunft nach dem EntgTranspG sehr wohl als Indiz für eine Benachteiligung nach § 1 AGG heranzuziehen.

Fazit

Im Ergebnis erfolgt mit dem BAG Urteil eine Korrektur der Rechtssprechung des LAG, die ganz im Sinne des Normengefüges und des Gesetzeszwecks steht. Das BAG wirkt hier einer Aushöhlung des Anwendungsbereichs und Regelungsgehalts des EntgTranspG entgegen und sorgt dafür, dass sich die Auskunft nicht im Wissen um Ungerechtigkeiten erschöpft. Vielmehr kann die Auskunft als Indiz und damit als Grundlage und Wegbereitung für weitere rechtliche Schritte herangezogen werden. Mit der Entscheidung wird nicht nur der unionsrechtskonformen Ausgestaltung des AGG, sondern auch dem Willen des Gesetzgebers hinsichtlich des EntgTranspG Rechnung getragen. Das BAG gibt damit Benachteiligten den Auskunftsanspruch nach EntgTranspG als Instrument zurück, das kurzzeitig mit dem Urteil des LAG verloren schien.

Hinweis auf
BAG Urt. v. 21.1.2021 – 8 AZR 488/19
LAG Niedersachsen, Urt. v. 1.8.2019 – 5 Sa 196/19