Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat durch die kürzliche Abweisung der Revision in der Sache „Section Control“ deutlich gemacht, dass es keine weiteren Bedenken in Bezug auf den rechtskonformen Betrieb der neuen Tempomessanlage bzw. deren rechtlicher Ausgestaltung hat. Damit setzt das BVerwG nicht nur einen Schlusspunkt in dem aktuellen Verfahren, sondern gibt klar zu erkennen, dass der Betrieb von Streckenblitzern auch in Deutschland möglich ist.
Die Abschnittskontrolle
Bei der Blitzanlage, die auf der Bundesstraße 6 zwischen Gleidingen und Laatzen installiert ist, handelt es sich um eine sogenannte „Section Control“, also Abschnittskontrolle. Die Anlage ist ein Pilotprojekt. Während die Messung der Geschwindigkeit von Fahrzeugen über einen bestimmten Streckenabschnitt hinweg in Nachbarländern längst weit verbreitet ist, sucht man derartige Anlagen in Deutschland bislang noch vergebens, was letztlich wohl auch der Anlass war, der zur rechtlichen Prüfung führte. Konkret wurden datenschutzrechtliche Bedenken und ein möglicher Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Verfahren vorgebracht. Grund hierfür ist die Funktionsweise der Anlage; bei der zu Beginn der Abschnittskontrolle ein Bild von den passierenden Fahrzeugen angefertigt und zwischengespeichert wird. Bei Austritt aus dem rund 2,2 km langen Kontrollabschnitt wird das Fahrzeug erneut erfasst und die Durchschnittsgeschwindigkeit überprüft.
Der rechtlich neuralgische Punkt ist dabei die Bildaufzeichnung zur Messung selbst, die in jedem Fall erfolgt – also auch bei regelkonformer Fahrt vorgenommen wird. Das eigentliche „Verstoßbild“ erfolgt in einem zusätzlichen Schritt. Die Bilder zur Messung werden zusammen mit einem Zeitstempel automatisiert verarbeitet und durch einen Hash verschlüsselt übertragen, sofern der Abgleich der Messungsbilder nicht möglich ist oder keinen Verstoß ergibt, erfolgt eine automatisierte Löschung der Daten.
Das Verfahren
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Hannover war zunächst die Rechtswidrigkeit mangels einschlägiger Rechtsgrundlage für die Bilderfassung festgestellt worden. Als sich später das Oberverwaltungsgericht Lüneburg mit dem Fall befasste, hatte Niedersachen mit der Änderung des niedersächsischen Polizeigesetzes (NPOG) zwischenzeitlich eine Rechtsgrundlage für den Betrieb der Anlage geschaffen. So heißt es im neu eingeführten § 32 Abs. 6 NPOG:
Die Verwaltungsbehörden und die Polizei dürfen im öffentlichen Verkehrsraum zur Verhütung der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Kraftfahrzeugen nach Maßgabe des Satzes 2 Bildaufzeichnungen offen anfertigen und damit auf einer festgelegten Wegstrecke die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs ermitteln (Abschnittskontrolle). Die Bildaufzeichnungen dürfen nur das Kraftfahrzeugkennzeichen, das Kraftfahrzeug und seine Fahrtrichtung sowie Zeit und Ort erfassen; es ist technisch sicherzustellen, dass Insassen nicht zu sehen sind oder sichtbar gemacht werden können. Bei Kraftfahrzeugen, bei denen nach Feststellung der Durchschnittsgeschwindigkeit keine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorliegt, sind die nach Satz 2 erhobenen Daten sofort automatisch zu löschen. Die Abschnittskontrolle ist kenntlich zu machen.
§ 32 Abs. 6 NPOG
Hierin sah das OVG Lüneburg eine ausreichende Eingriffsermächtigung. Jedenfalls bestanden seitens des Gerichts keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Norm, weshalb die Revision nicht zugelassen wurde. Diese Auffassung wurde nunmehr durch das BVerwG bestätigt.
Das BVerwG sah durch die Abschnittskontrollen keinen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, auch dann nicht, wenn die Kontrolle anlasslos erfolgt. Die Messung der Geschwindigkeit über eine längere Strecke hinweg trage besonders zur Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit bei und vermeide zudem punktuelles und abruptes Abbremsen.
Anmerkung
Die Ansicht der Gerichte vermag vor den jüngeren Entwicklungen in der Rechtsprechung (Beweisverwertungsverbot von Dashcams, etc.) nicht verwundern. Hier ist in einer zunehmend digitalen Welt auch eine Öffnung der Justiz erkennbar. Die Datenverarbeitung selbst kann mit entsprechender rechtlichen Grundlage – wie hier § 32 Abs. 6 NPOG – auch datenschutzrechtlich über Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e DS-GVO abgefangen werden (soweit der Anwendungsbereich der DS-GVO nach Art. 2 Abs. 2 lit. d DS-GVO versperrt ist nach JR-RL). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dürfte mit entsprechenden Kriterien (Unkenntlichmachung der Insassen, begrenzte Speicherung, definierte Daten, verständlicher Hinweis), die die Rechtsgrundlage durchaus bereit hält, hier wohl zurücktreten. Gleichwohl bietet der Fall auch Anlass für weitere Fragen; so ist beispielsweise unklar, wie die Datensicherheit zu gewährleisten ist und wie sichergestellt wird, dass die Daten nur zum Zwecke der Geschwindigkeitskontrolle genutzt werden. Oder ob gar eine anderweitige Nutzung (z. B. der Abgleich mit Datenbanken) der Bilddaten möglich wäre. Mit diesen und weiteren Fragen werden sich zukünftig sicherlich Gerichte und Fachwelt beschäftigen müssen. Sicher ist aber, dass man auf Deutschlands Staßen in Zukunft vermehrt mit Abschnittskontrollen rechnen muss.
Hinweis auf:
BVerwG, Beschl. v. 31. Juli 2020 – 3 B 4.20
OVG Lüneburg, Urt. v. 13. Nov. 2019 – Az. 12 LC 79/19
VG Hannover, Urt. v. 12. März 2019 – Az. 7 A 849/19