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Beschneidet der EuGH kirchliche Privilegien?

Beschneidet der EuGH kirchliche Privilegien?

Mit Spannung muss dem Urteil des EuGH im Fall Egenberger (Az. C-414/16) entgegen gesehen werden. Stehen doch grundsätzliche Privilegien der Kirchen in Deutschland auf dem Spiel. Bislang galt in Deutschland das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, welches verfassungsrechtlich in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 II WRV verankert ist. Über § 9 Abs. 1 AGG fand dieses Selbstbestimmungsrecht im Rahmen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes seine Berücksichtigung. Hierdurch ist es den Religionsgemeinschaften derzeit möglich, Arbeitnehmer entsprechend ihrer Religion auszusuchen, ohne dabei andere zu diskriminieren. Bislang sahen – auch die höchsten Deutschen Gerichte – die Hoheit über die Auswahl bei den Religionsgemeinschaften. Diesen steht nach der deutschen Rechtsprechung eben auch zu, die Maßstäbe festzusetzen, ob es sich um verkündungsnahe Tätigkeiten handelt (und damit die Konfession ausschlaggebend ist) oder nicht.

Ausnahme unterliegt bisher den Religionsgemeinschaften

Im Fall Egenberger geht es nun darum, dass die europäischen Richtlinien möglicherweise keinen Spielraum für gesetzliche Ausnahmen lassen. Die Prüfungshoheit, ob eine Ausnahme gegeben ist, könnte einzig und allein dem weltlichen Gerichten zuzuschreiben sein. Dementsprechend müsste die Ausnahme des § 9 AGG geändert werden und sodann der Gesetzgeber festlegen, wann eine Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit zulässig wäre.

Genau darin sehen einige das Problem und eine grundlegende und weitreichende Folge für das kirchliche Arbeitsrecht. Das Selbstbestimmungsrecht würde beschnitten und der Staat würde in die Ausgestaltung eingreifen. So wird kritisiert, dass der Staat die Maßstäbe für die kirchlichen Ausnahmen festlegen würde.

Staat beansprucht bereits Ausnahmeregelung

Interessanterweise tut dies der Staat bereits. Im Fall der staatlichen Bekenntnisschule macht sich der Staat die Privilegien der Kirchen bereits zu eigen. Hier entscheidet der Staat als Träger über religiöse Voraussetzungen bei der Einstellung und Beschäftigung von Lehrerinnen und Lehrern sowie sonstigem Schulpersonal. Eigentlich – und dies hatte ich bereits 2015 bei der Änderung des Schulgesetzes in NRW angemerkt – kann sich der Staat bei konsequenter Anwendung des verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrechts gar nicht auf die Ausnahme des § 9 AGG berufen. So bewegt sich der Staat bereits seit längerem in einer rechtlichen (Dunkel)Grau-Zone. Licht und Klarheit in der Sache könnte aber der EuGH mit seinem Urteil bringen.

 

Lesehinweise: Schlussanträge, Aufsatz